Drew Daniel
Niclas Weber
Drew Daniel

Der Traum von "Hit Em"

Manchmal kommt Inspiration an den unerwartetsten Orten – zum Beispiel im Schlaf. Drew Daniel träumt von einem neuen Genre und trifft damit einen Nerv.

“Ich war auf einem Rave, die Musik war laut und das Licht flackerte. Ich traf dieses Mädchen, das mir ganz aufgeregt von einem Musikstil erzählte. Sie sagte, es gibt da dieses neue Genre, es heißt ‚Hit Em‘. Es besteht aus ‘crunchy’ Sounds im 5/4-Takt mit 212 bpm”, erzählt Drew Daniel von seinem Traum im Interview mit dem Deutschlandfunk. Als er aufwacht, lässt ihn die Vorstellung dieses neuen Genres nicht los. Er teilt die Geschichte auf der Platform X und geht damit viral. Was dann geschah, überraschte selbst ihn: “Die Dinge sind außer Kontrolle geraten. Erst waren es 50 Leute, die den Post geliked haben, dann 100, dann 1.000. Und dann fingen die Leute an, Musik daraus zu machen.” Die Herausforderung, Musik dieser Art zu produzieren, reizte viele. Schon nach wenigen Tagen tauchten mehrere Tracks auf, die im 5/4 Takt mit 212 bpm produziert wurden. Es scheint, als hätte die Szene nur darauf gewartet, etwas Neues ausprobieren zu können.”

Drew Daniel via X
Drew Daniel via X

Im Deutschlandfunk erklärt Daniel: “Das Schwierige ist, Tracks zu produzieren, die man auch hören möchte. Die mehr sind als ein konzeptioneller Scherz”. Das Genre lebt von seiner Geschwindigkeit, seinem ungewöhnlichen Taktmaß und der exzentrischen Energie. Es erinnert an andere Stile wie EDM, Drum & Bass oder HyperPop, geht aber noch einen Schritt weiter: schneller, schriller, futuristischer. Unmöglich ist das nicht – Klassiker in 5/4 Tracks wie Dave Brubeck's ‘Take Five’ oder der Mission Impossible Theme Song von Lalo Schifrin beweisen das. “Das ist Musik, zu der man den Körper bewegen kann”, findet Daniel.

Er selbst ist kein Unbekannter in Sachen ausgefallener Musik. Als eine Hälfte von Matmos hat er Jahrzehnte damit verbracht, elektronische Musik zu machen, die aus allen möglichen unkonventionellen Quellen entsteht, sei es, dass er die Klänge von chirurgischen Eingriffen einfängt oder Schädel, Zähne und Rückenmark aufnimmt, um sie in experimentellen Techno zu verwandeln. 

Hit Em dient als Zeichen für eine gewisse Stagnation in der elektronischen Musik: “Es gibt eine Art Stillstand, ständig der gleiche House- und Disco-Rhythmus mit 120 bpm oder das typische Dubstep-Muster mit 140 bpm. Die Leute haben Lust, etwas Neues auszuprobieren.” Obwohl Hit Em bisher nur einen kleinen Kreis experimenteller Produzenten anspricht, könnte die Begeisterung für das Genre eine neue Radikalität in der elektronischen Tanzmusik auslösen. Vor allem der partizipative Charakter macht diesen Trend so besonders. Daniel veröffentlichte, mit Hilfe von befreundete Künstlern wie 'machinedrum', Mitte November eine Hit Em Compilation, zusammengestellt aus über 200 Einsendung aus der ganzen Welt. Das ganze trägt den Namen ‘Thank You, Dream Girl’ – in Anlehnung an das Mädchen aus Daniels Traum.