“Das Schönste wäre, wenn es uns gar nicht geben müsste”
Das Kollektiv femquency bietet DJ-Workshops für Flinta (Frauen, Lesben, inter- und nicht-binäre Personen, trans- und agender Personen) an und macht sich stark für diverse Line-Ups in der Szene.
Das Kollektiv femquency bietet DJ-Workshops für Flinta (Frauen, Lesben, inter- und nicht-binäre Personen, trans- und agender Personen) an und macht sich stark für diverse Line-Ups in der Szene.
Im Gespräch mit Margarete erzählen Johanna und Laura, was hinter dem Konzept steckt. Außerdem verraten sie uns ihre Wünsche für die Zukunft der Clubszene. Johanna war selbst einmal Teilnehmende eines Workshops von femquency und legt seitdem als DJ Haana Peony auf. Laura ist, als Teil des Awarenessteams, darauf spezialisiert dafür zu sorgen, dass die Teilnehmenden und die Workshopleitung sich möglichst wohl fühlen.
M: Warum bietet ihr DJ-Workshops nur für Flinta an?
L: Leider wird Flinta oft ein geringes Selbstvertrauen anerzogen, gerade wenn es um technische Dinge geht. Oft fehlt auch der Rückhalt von Menschen, die dabeistehen und Mut zusprechen. Genau da wollen wir mit unseren Workshops ansetzen. Es ist ein sehr empowerndes Gefühl, wenn sich Leute mit Diskriminierungserfahrung gegenseitig unterstützen. Wir wollen zeigen, dass es vollkommen in Ordnung ist, Fehler zu machen und Fragen zu stellen. Und dass es normal ist, aufgeregt zu sein und Angst zu haben. Mir ist es wichtig zu zeigen, dass Flinta ein Anrecht darauf haben, Platz in dieser Community und Kultur einzunehmen. Wir haben ein Anrecht darauf, uns in Clubs und auf Festivals sicher zu fühlen. Ich habe selbst früh angefangen Clubs zu besuchen. Dabei habe ich so viele unangenehme Situationen erlebt und wusste oft nicht, an wen ich mich wenden soll.
M: Wie läuft so ein Workshop ab?
J: Wir sind meistens eine Runde aus etwa 12 Personen. Dabei ist neben der Workshopleitung auch immer eine Awarenessperson und eine Allrounderperson dabei. Die Allrounderperson sorgt zum Beispiel auf Festivals dafür, dass während des Workshops der Floor sicher abgesperrt ist. Nach dem Ankommen checken wir, welche Vorerfahrungen bestehen oder wer ganz neu anfängt. Dann starten wir mit dem Vorstellen des Equipments und erklären die Knöpfchen und wie das alles funktioniert. Dazu kommt noch theoretischer Input. Wir erklären beispielsweise wo DJs ihre Tracks herbekommen und wie die Künstler:innen fair bezahlt werden können, wenn deren Tracks genutzt werden. Die Teilnehmenden dürfen dann mit uns noch ein bisschen üben. Und im nächsten Schritt stehen sie schon auf der Bühne. Meistens haben wir im Anschluss an einen Workshop auch einen Slot im Club oder auf dem Festival gebucht und alle Teilnehmenden dürfen dann mit uns als Workshopleitung gemeinsam auflegen. Es ist einfach ein unfassbar tolles Gefühl diese Gemeinschaft dabei zu erleben. Nach jedem Übergang gibt es zum Beispiel einen Applaus, es wird sich viel umarmt – natürlich nur wer möchte. Und dann, wenn alles gut läuft, haben wir kleine neue DJs gebacken, die ihren Weg allein weitergehen.
M: Das heißt ihr seht euch sozusagen als Türöffner für Flinta, die als DJ durchstarten wollen. Inwiefern setzt ihr euch für diverse Line-Ups ein?
J: Wenn wir einen Workshop organisieren, stellen wir oft für einen Floor oder sogar für das ganze Event das Line-Up. Das ist natürlich super, wenn wir da die Fäden in der Hand halten. Dann können wir das Booking selbst gestalten und auf Diversität achten. Dennoch haben wir auch Kritikpunkte an uns selbst, denn wir machen auch nicht alles richtig.
L: Diversität heißt nicht nur auf Flinta, sondern auch auf andere marginalisierte Personengruppen zu achten, die in der Szene unterrepräsentiert sind. Zum Beispiel Menschen mit Behinderung. Wenn wir auf Festivals einen Workshop geben, fragen wir immer danach, wie divers das Line-Up aufgestellt ist. Ich denke, gerade dieses Nachhaken ist extrem wichtig. Genauso fragen wir in Clubs nach dem Awarenesskonzept. Was ich schwierig finde, ist der Grat zwischen Inklusion und Tokenism. Wir wollen Leute nicht nur anfragen, um eine Quote zu erfüllen, sondern gucken schon nach den Artists selbst und ob das mit der Musikrichtung und so weiter zusammenpasst. Wir versuchen unsere Strukturen so zu gestalten und uns so weiterzubilden, dass sich Menschen mit Mehrfachdiskriminierungserfahrung bei uns wohlfühlen, obwohl wir eine sehr weiße Community sind.
M: Was würdet ihr euch für die Zukunft der elektronischen Musikszene wünschen?
J: Das Schönste wäre natürlich, wenn es uns gar nicht geben müsste. Wenn Line-Ups von selbst divers wären und auch den Arbeitsplatz DJ-Pult inklusiv gestaltet werden würde. Dafür müsste beispielsweise auch das Thema Menstruation mitgedacht werden. Wenn ein DJ-Slot über drei Stunden geht und unklar ist, wo die nächste Toilette ist oder Menstruationsprodukte fehlen – das kann schon eine ziemliche Herausforderung werden wieder pünktlich zum nächsten Übergang zurück zu sein.
L: Ich würde mir mehr Repräsentation von nicht-binären Personen und trans Personen in der Szene wünschen, genauso wie BIPoC (Schwarze Menschen, Indigene Menschen und Menschen of Color, Anm. d. Red.) oder Personen mit Behinderung. Auch was das Thema Producing angeht. Da gibt es eine riesige Leerstelle. Wir träumen davon, irgendwann mal solche Workshops anbieten zu können. Dafür müssen wir uns aber selbst erstmal weiterbilden.
Von Margarete Arendt