Kraftwerk
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KW12 Album der Woche

Kraftwerk "Autobahn at 50"

Das Album Autobahn von Kraftwerk ist 50 Jahre alt geworden. Zu diesem Geburtstag hat Gründungsmitglied Ralf Hütter zwei Jubiläumsausgaben herausgebracht.

Eine Autotür wird zugeschlagen. Ein Motor springt an. Das sind die ersten Töne von “Autobahn”. Der berühmte Track geht über 22 Minuten und ist das Flaggschiff des gleichnamigen Albums der Gruppe Kraftwerk.  Seit der ersten Veröffentlichung sind 50 Jahre vergangen und der Sound von Kraftwerk hat ganze Generationen geprägt. 

Kraftwerk - Autobahn
Kraftwerk - Autobahn

Das Album Autobahn wurde erstmals 1974 veröffentlicht und war das erste elektronische Konzeptalbum von Kraftwerk. Zum 50-jährigen Jubiläum hat Ralf Hütter zwei überarbeitete Versionen rausgebracht. Da ist zum einen die Vinyl-Picture-Disk mit der Tonspur aus dem Jahr 2009. Zum anderen gibt es auch eine Deluxe-Blu-ray-Audio-Disc mit einem neuen Dolby-Atmos-Mix.  

Auf dem Album befinden sich insgesamt 5 Tracks. “Autobahn” nimmt die ganze eine Seite des Vinyls ein. Der Song ist eine Hymne auf die heitere Banalität des Fahrens auf Deutschlands Autobahnen, überlagert von Hupen, Radioknistern, mechanischen Stimmen und Verkehrsgeräuscheffekten. Das Stück gleitet auf einem jazzigen, von Hütter und Schneider gespielten Motorik-Rhythmus dahin, beschleunigt und verlangsamt, schaltet an verschiedenen Stellen den Gang ein, surrt und dreht auf, hält sogar manchmal an, um die Aussicht zu bewundern. Um das Rauschen vorbeifahrender Fahrzeuge zu simulieren, verwendete Kraftwerk synthetisch erzeugte Ausbrüche von weißem Rauschen. Die unheimlich klingenden Gesänge des Songs wurden mit einem Vocoder erzeugt. 

Emil Schult, ein Freund des Duos, hat die Lyrics von Autobahn mitgeschrieben. Er malte auch das erste Coverbild des Albums, das eine fast leere Autobahn zeigt, die sich zu einem strahlenden Sonnenuntergang in den Bergen am Horizont hinaufzieht. Hütters eigener grauer Volkswagen hatte sogar einen Gastauftritt.    

„Die weißen Streifen auf der Straße, die sind mir jeden Tag auf dem Heimweg vom Studio aufgefallen“, erklärt Ralf Hütter. „Dann die Autogeräusche, das Radio, das ist wie eine Schleife, ein Kontinuum, Teil der endlosen Musik von Kraftwerk.”  

Auf der zweiten Seite der Platte finden sich noch vier kürzere Tracks. Zum einen ist da das Kometenmelodie-Duo. Inspiriert vom Kometen Kohoutek, der 1973 nahe an der Erde vorbeischwebte, unterscheiden sich die beiden Tracks “Kometenmelodie 1” und “Kometenmelodie 2” deutlich im Klang. Das erste Stück ist eine geheimnisvolle Reise ins Innere des Weltalls mit psychedelischem Klirren und kosmischem Rauschen, das zweite ein fröhlicher Synthesizer-Galopp mit strahlenden melodischen Fanfaren, der sich zu einem ekstatischen Sonnenfinale aufbaut.    

Die letzten beiden Tracks auf Autobahn sind “Mitternacht” und “Morgenspaziergang”, die einen Klangbezug zu Zeit, Atmosphäre und Ort herstellen. Die nächtliche Düsternis von “Mitternacht” findet zur Geisterstunde in einer elektro-gotischen Schattenwelt aus Klirren, Schleichen und unheimlicher Dunkelheit statt. Das Album endet jedoch mit “Morgenspaziergang”, einem Morgenspaziergang durch frische Luft und Vogelgezwitscher, dessen duftender, nebelverhangener Anfang sich zu einem fröhlich taumelnden Refrain aus ineinander verschlungener Flöte, Gitarre und Klavier steigert.    

Die süße, folkloristisch angehauchte Melodie von “Morgenspaziergang”, die den Weg für einen Großteil der Ambient-Musik der späten 1970er Jahre ebnete, greift auch eine Phrase aus dem Anfang von “Autobahn” auf, womit sich der Kreis des Albums schließt. 

„Alle Tracks sind wie Filmschleifen, Kurzfilme“, erklärt Ralf Hütter. „Morgenspaziergang ist das, was wir geschrieben haben, als wir aus dem Studio kamen. Wir haben immer nachts gearbeitet und morgens ist dann alles frisch und die Ohren sind wieder offen.“ 

Kraftwerk
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Kraftwerk wurde 1970 als multimediales Projekt von Ralf Hütter und Florian Schneider gegründet. Das experimentelle Duo aus der Düsseldorfer Underground-Szene richtete sich das Kling-Klang-Studio ein und arbeitete von dort aus mit Drumcomputern, Tonbandgeräten, Synthesizern und Vocodern an ihren ersten Veröffentlichungen. Autobahn markierte eine klare Abkehr von den eher kosmisch orientierten Kollegen der deutschen Underground-Rockszene und bildete den Auftakt zu einer ununterbrochenen Reihe von acht klassischen Kraftwerk-Katalogalben.  

Autobahn verwandelte Kraftwerk von einer Art-Rock-Kultband in unwahrscheinliche Popstars aus dem linken Lager. Anfang 1975 wurde eine dreiminütige Bearbeitung des Titelsongs eine Top-Ten-Single in Deutschland und erreichte Platz 11 in Großbritannien und Platz 25 in den USA.  Auch das Album war ein weltweiter Erfolg und erreichte Platz 4 in Großbritannien, Platz 5 in den USA und Kanada und Platz 7 in Deutschland.    

Auch heute noch klingt Autobahn historisch und motorisch, schmerzlich nostalgisch und doch zeitlos modern und eröffnet auch ein halbes Jahrhundert später noch neue Klanghorizonte.