Watergate Berlin
Watergate Berlin

Die Berliner Techno-Ikone WATERGATE schließt ihre Türen

Berlin verliert eine seiner prägendsten Club-Institutionen: Das Watergate schließt zum Jahresende seine Türen. Ein Abschied, der sinnbildlich für die Krise der Clubkultur steht.

Im November veröffentlichte der Bundesverband der Musikspielstätten LiveKomm in Zusammenarbeit mit Landesverbänden aus Berlin, Hamburg, Köln und NRW einen Lagebericht zur Situation der Clublandschaft in Deutschland. Die Ergebnisse sind ernüchternd und bestätigen, was seit Monaten in der Szene spürbar ist: Die Clubkultur steckt in einer Krise.

Die Zahlen sprechen für sich: Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen die befragten Clubs einen Umsatzrückgang und einen Besucher:innenschwund von durchschnittlich zehn Prozent. Gleichzeitig steigen die Kosten in nahezu allen Bereichen. Fast die Hälfte der teilnehmenden Clubs (43 Prozent) geht davon aus, dass sich ihre wirtschaftliche Lage bis 2025 weiter verschlechtern wird. 16 Prozent ziehen sogar in Betracht, ihren Betrieb innerhalb der nächsten zwölf Monate komplett aufzugeben und bereits 62 Prozent mussten die Programmgestaltung einschränken. Ein Club, der schon zum Jahresende schließen wird, ist das legendäre Watergate in Berlin – ein schwerer Verlust für die Nachtkultur der Stadt.

Für uns ist die Situation in Berlin entscheidend, und die hat sich stark verändert. Nach Covid hat das Geschäft einfach nicht mehr so richtig Fahrt aufgenommen.
Ulrich Wombacher im Interview mit der ‘Berliner Zeitung’
Watergate Berlin
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Nach 22 Jahren ist Schluss

Im Sommer, kurz nach dem 22. Geburtstag, gaben die Betreiber des Watergate bekannt, dass sie den Clubbetrieb “schweren Herzens” einstellen und den Pachtvertrag nicht verlängern. Das Watergate, direkt an der Berliner Oberbaumbrücke gelegen, ist seit Anfang der 2000er-Jahre eine echte Techno-Institution. Mit seiner unvergleichlichen Atmosphäre, dem ikonischen Sound und dem Panoramablick auf die Spree zieht es nicht nur Berliner:innen, sondern auch zahlreiche Tourist:innen an. Neben dem Berghain gilt das Watergate als Pflichtprogramm für alle, die Berliner Clubkultur erleben wollen.

Im Interview mit der ‘Berliner Zeitung’ erklärt Ulrich Wombacher, einer der drei Betreiber, die Beweggründe für die Schließung: “Für uns ist die Situation in Berlin entscheidend, und die hat sich stark verändert. Nach Covid hat das Geschäft einfach nicht mehr so richtig Fahrt aufgenommen.” Die Art, wie Musik konsumiert wird, habe sich ebenfalls verändert, so Wombacher. Die lange Schließung der Clubs während der Pandemie habe bleibende Spuren hinterlassen. Hinzu komme, dass der Billigtourismus zurückgegangen sei – ein Faktor, der zuvor viele internationale Gäste nach Berlin gelockt hatte.

“Berlin mit seiner individuellen, kleinen und gewachsenen Clubkultur hat international an Relevanz verloren”, beobachtet Wombacher im Interview mit der ‘Berliner Zeitung’. Die Konkurrenz mit den großen Playern der Musikindustrie vergrößert das Problem zusätzlich: Das Publikum gibt Hunderte von Euro aus, um Popstars wie Adele, Taylor Swift oder Coldplay auf kostspieligen Tourneen zu sehen oder kauft im Sommer Tickets für große (und entsprechend teure) Festivals – viel Geld für einen Clubbesuch am Wochenende bleibt da nicht mehr übrig. Gleichzeitig können Clubbetreiber:innen mit ihren Budgets kaum noch den steigenden Gagenforderungen der DJs gerecht werden. 

Auch die Veränderungen in der Stadt selbst gefallen Wombacher nicht. Kreuzberg habe an Charme verloren, bemerkt er. Stattdessen prägen Drogenprobleme, Obdachlosigkeit und Kriminalität zunehmend das Bild des Bezirks. “Wenn der ganze Tourismus-Glam wegfällt, bleibt das abgeschminkte Berlin übrig.”

Trotz des Abschieds wirkt Wombacher gelassen. “Nichts ist für immer”, sagt er und zieht Vergleiche zum Verschwinden der traditionellen Berliner Eckkneipen. “Warum sollten Clubs nicht auch ein vorübergehendes Phänomen sein. Die Clubkultur ist wahnsinnig fragil.” Im Gegensatz zu vielen seiner Kolleg:innen sieht Wombacher keine langfristige Lösung in staatlichen Förderungen. “Clubkultur funktioniert so nicht. Sie ist schnell, individuell. Man kann das nicht in eine Planwirtschaft drängen, auch wenn wir von der Förderung profitiert haben.”

Farewell Watergate

Bevor das Watergate endgültig schließt, will der Club zum Jahresende noch einmal alles geben. Ein prall gefülltes “Farewell-Programm” und eine große “Final Closing”-Party an Silvester sollen den Abschied würdig gestalten. In den letzten Wochen stand bereits die Crème de la Crème der Szene an den Decks. Doch der finale Akt verspricht noch eine Schippe drauf zu legen. „35 Stunden. 40 Künstler. Von der Nacht zum Tag, zurück zur Nacht und wieder zum Tag – ein letzter Tanz unter dem Dach des Watergate, bevor wir dieses Kapitel mit Stil und Anmut abschließen“, heißt es im offiziellen Veranstaltungstext. Damit verabschieden sich nicht nur die Besucher:innen vom Watergate sondern auch die Künstler:innen die den Club über die Jahre hinweg mitgeprägt haben.

Line-up:

Andre Galluzzi, Animal Trainer, Anja Schneider, Arno b2b Eli Verveine, Butch, Camea, Caren Callas, Catz ’n Dogz, DJ Norma b2b Greta Spark, Eliza Feliz, Extrawelt LIVE, Garage Girls, Gregor Tresher, Henrik Schwarz LIVE, Jacke, Janina, Kink LIVE, Kollektiv Turmstrasse LIVE, Lee Jones, Lewin Paul, Marco Resmann, Maurizio Schmitz, Naomi, Nat Wendell, Nick Höppner, Oracy, Pan-Pot, Prantel, Ron Wilson, Ruede Hagelstein LIVE, Set In Motion, Stassy & Wilck, Sven von Thülen, Thabo, Tobi Neumann, Tom Peters

Von Johannah Hainke