Auf dem Weg in die Unabhängigkeit
Seit 35 Jahren berichtet "die Groove" über elektronische Musik, mit Gründung eines Vereins soll das Magazin unabhängig werden. Wir haben mit der Redaktion über die Zukunft der Groove gesprochen.
Seit 35 Jahren berichtet "die Groove" über elektronische Musik, mit Gründung eines Vereins soll das Magazin unabhängig werden. Wir haben mit der Redaktion über die Zukunft der Groove gesprochen.
„WIR MÜSSEN REDEN“, prangt in fetten Capital Letters auf der Startseite der Groove. Beim Weiterlesen wird schnell klar, worüber: DAS Kultmagazin der elektronischen Musikszene schlägt einen neuen Weg ein. Was zunächst wie eine spannende Weiterentwicklung klingt, entpuppt sich als Überlebenskampf, denn der dahinter stehende Verlag Piranha Media gibt das Magazin auf. Der Plan? Die Gründung eines Vereins, der die Groove in die Unabhängigkeit führt. Doch was bedeutet dieser Schritt wirklich? Und wie viel Realität steckt hinter der romantischen Vorstellung von Unabhängigkeit?
Gegründet wurde die Groove in den 90er-Jahren – eine Zeit, in der die Technowelle im Frankfurter Raum alles mitriss, was sich ihr in den Weg stellte. Es war die Ära von Sven Väth, dem Omen und wilden Raves in leerstehenden Industriehallen. Die Groove war von Anfang mit dabei, aber immer mehr als "nur" ein Magazin: Sie war eine Plattform für die Subkultur, eine Stimme für die Szene. Hier ging es nicht nur um Releases und DJ-Charts, sondern um die Geschichten und die Philosophie hinter den Platten.
In den späten 90ern übernahm dann der kommerzielle Verlag „Piranha Media“ die Groove und öffnete ihr neue Türen. Nach fast 35 Jahren zieht sich der Verlag nun jedoch zurück. Doch aufgeben ist keine Option für Chefredakteur Alexis Waltz, Maximilian Fritz und ihr Team. „Die Marke Groove und unsere Arbeit ist nach wie vor relevant“, sagt Waltz. „Unsere Leserschaft ist insgesamt zwar etwas älter als die, die auf Festivals unterwegs sind, aber wir haben auch viele junge Leser:innen, die uns über Social Media wie Instagram positives Feedback geben. Deshalb sind wir überzeugt: Wir müssen weitermachen!“
Um das Magazin zu retten, gründete das Team den „Verein für Technojournalismus“. Der Name ist Programm: Technojournalismus soll im Fokus stehen, unabhängig und abseits kommerzieller Interessen. Der Verein setzt sich aus aktuellen und ehemaligen Groove-Mitarbeitenden sowie treuen Abonnent:innen zusammen. Für die Redaktion ein wichtiger Schritt, um die eigene Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Die Groove soll weiterhin das Sprachrohr der Szene bleiben – aber eben unabhängig. „Das macht das Ganze auch noch mal viel interessanter für uns. Wir waren immer in unserer Nische von elektronischer Musik und Techno unterwegs und deshalb denken wir, dass es kommerziell nicht funktionieren kann“, erklärt Waltz. „Wir denken, dass wir über den Verein die Community noch stärker aktivieren und direkter ansprechen können.“
Das Ziel des Vereins ist klar: Unabhängigkeit bewahren und gleichzeitig die nötigen Mittel sammeln, um den Betrieb am Laufen zu halten. 100.000 Euro müssen sie aufbringen, um ihre Arbeit fortsetzen zu können. Vor allem die faire Bezahlung der Autor:innen und der Mitarbeitenden steht im Vordergrund. Denn für die Groove geht es nicht um große Gewinne, sondern um die Authentizität der Berichterstattung. „Es geht uns um die Unabhängigkeit – und Geld sollte dabei nicht im Vordergrund stehen“, betont der Chefredakteur. „Natürlich möchten wir fair entlohnt werden und unsere Leute fair bezahlen, aber es geht uns nicht darum, große Gewinne zu erzielen“, führt er weiter aus. Im Gegenteil: Die Groove will sich bewusst von den globalen Akteuren der Musikindustrie abgrenzen. „Die kaufen europäische Festivals, um dann hohe Profite zu erzielen und ihre Musikstile zu pushen, die oft mehr EDM sind als Techno. Das ist nicht unser Ansatz und geht uns ehrlich gesagt gegen den Strich.“
Eine Mitgliedschaft in ihrem Verein ist die zentrale Möglichkeit, die Zukunft der Groove aktiv zu unterstützen. Der jährliche Beitrag von 100 Euro hilft, die finanziellen Lücken zu schließen. Für Menschen, die weniger zahlen können, gibt es auch eine ermäßigte Variante für 50 Euro. Agenturen und professionelle DJs sollen 300 Euro im Jahr beisteuern. „Wenn all unsere alten Abonnent:innen Mitglied werden würden, könnten wir etwa 50.000 Euro im Jahr erreichen“, schätzt Waltz. „Insgesamt brauchen wir aber ein Startkapital von 100.000 Euro, und derzeit liegen wir bei ungefähr 55.000 Euro.“ Es bleibt also noch Luft nach oben, und die Zeit drängt. Doch Waltz setzt auf den Support der Gemeinschaft: “Wir haben das Glück, eine Community zu haben, die uns sehr schätzt. Sie ist zwar nicht riesig, aber doch signifikant, und wir hoffen, dass sie uns jetzt mit dem jährlichen Beitrag unterstützt.”
Der Schritt, den die Groove geht, ist auch ein Experiment für das klassische Modell des Musikjournalismus. In Zeiten, in denen die Werbeeinnahmen für Magazine schrumpfen und große Verlage um ihre Existenz kämpfen, setzt die Groove auf ein alternatives Finanzierungsmodell und geht damit einen mutigen Schritt. „Früher waren Magazine kommerziell, sie haben sich vor allem über Werbung finanziert – ein bisschen auch durch den Verkauf von Heften, aber hauptsächlich durch Anzeigen“, erinnert sich der Musikjournalist. „Doch dieses Werbemodell funktioniert einfach nicht mehr.”
Die Groove sieht sich hauptsächlich als Teil der elektronischen Musikszene. „Wir denken an Festivals wie die Fusion oder die Nation of Gondwana”, sagt Waltz. “Aber auch an Clubs wie das Berghain, About Blank oder Heideglühen. Das sind Orte, die unabhängig sind und bei denen es nicht in erster Linie ums Geldverdienen geht, sondern um die Leidenschaft zur Musik. Genau das ist auch unser Ansatz.“
Als wir Waltz fragen, was das Team der Groove in Zukunft erreichen will, wenn es weitergeht, muss der Chefredakteur nicht lange nachdenken: „Wir möchten junge Leute an den Musikjournalismus heranführen.” Zwar sei ihnen bewusst, dass der Musikjournalismus nicht mehr die gleiche Relevanz habe wie früher, weil man inzwischen alles online entdecken kann, aber trotzdem glaubt Waltz, “dass Musik so wertvoll ist, dass man darüber nachdenken, schreiben und lesen sollte.“
Das Interview mit Chefredakteur Alexis Waltz wurde Ende Juli geführt, inzwischen gibt es ein Update. Nach drei Monaten neigt sich die GROOVE-ON-Kampagne dem Ende zu – und die Frage bleibt: Hat die Groove jetzt eine sichere Zukunft? Waltz antwortet auf die Frage mit einem “Jein”:
„Die Resonanz der Kampagne war enorm. Wir haben das Gefühl, dass die GROOVE nach wie vor geschätzt wird, dass wir der Szene etwas geben, was kein anderes Medium erfüll. Das ehrt und bestärkt uns“, sagt der Chefredakteur. Trotz dieser positiven Rückmeldungen gibt es jedoch auch einen Dämpfer. „Von den erhofften 500 neuen Mitgliedern haben nur knapp 200 abgeschlossen“, erklärt er. „Mit den knapp 1.000 Altabonnent:innen, deren Abos wir nun in Standard-Mitgliedschaften umwandeln, können wir zwar weitermachen, wir können aber das eh schon stark geschrumpfte Redaktionsteam nicht wieder vollständig einstellen“, so Waltz weiter. Das Ergebnis bleibt also ambivalent: Die Groove befindet sich weiterhin im Überlebenskampf.
„Allen, die die GROOVE am Herzen liegt, jede:r, die es sich leisten kann, sollte Mitglied im Verein für Technojournalismus werden“, appelliert Waltz abschließend. Denn nur so könne das Magazin langfristig überleben.
So könnt ihr Mitglied werden.
Von Johannah Hainke