"Wir sind hartnäckig und lassen uns nicht unterkriegen!”
Im Interview mit Christian Ordon von der LiveKomm sprechen wir über die aktuelle Lage der Clubkultur, strukturelle Probleme – aber auch über kreative Ansätze, die Hoffnung machen.
Im Interview mit Christian Ordon von der LiveKomm sprechen wir über die aktuelle Lage der Clubkultur, strukturelle Probleme – aber auch über kreative Ansätze, die Hoffnung machen.
Als wir im November zuletzt mit der LiveKomm sprachen, war die Lage alarmierend: Laut ihrem damaligen Bericht waren die Besucherzahlen in Musikspielstätten bundesweit um rund zehn Prozent zurückgegangen – bei gleichzeitig steigenden Betriebskosten. Über die Hälfte der befragten Clubs sah sich ohne zusätzliche staatliche Unterstützung innerhalb der nächsten zwölf Monate existenziell bedroht. Ein halbes Jahr später wollten wir wissen: Hat sich etwas verändert?
Im Gespräch mit Christian Ordon, Geschäftsführer der LiveKomm, zeigt sich schnell – die Clubkultur steckt noch immer tief in der Krise. Vor allem sogenannte Grassroot-Betriebe mit einer Kapazität bis 500 Personen kämpfen mit hohen Mieten, Produktions- und Betriebskosten. Viele von ihnen konnten die finanzielle Belastung schon vor Corona kaum tragen – jetzt sind Reserven aufgebraucht, neue Lösungen dringend gefragt.
Doch es gibt auch Hoffnung: Ordon kennt die Branche seit Jahren und spricht nicht nur über Herausforderungen, sondern auch über Chancen. Im Interview gibt er einen klaren Einblick in die aktuelle Lage der Szene – und teilt Ideen, wie sich die Clubkultur neu aufstellen kann.
J: Hat sich seit unserem letzten Gespräch auch irgendetwas Positives getan?
C: Ja, ein paar Dinge haben sich tatsächlich verbessert. Wenn man sich zum Beispiel die Personalsituation anschaut – im Herbst war das noch ein großes Problem. Mittlerweile hat sich das etwas entspannt. Wer heute jemanden sucht – ob Techniker:in oder Gastro-Personal – findet eher wieder Leute. Auch beim Publikum sehen wir einen leichten Anstieg in den Zahlen. Es ist zwar keine große Veränderung, aber es geht in die richtige Richtung.
J: Was sind konkrete Ideen, die gerade ausprobiert werden?
C: Viele Clubs versuchen, sich auf ein neues Publikum einzustellen. Da fallen dann Begriffe wie „TikTok-Techno“ – manche springen auf neue Trends auf, andere bleiben ihrer Linie treu. Es wird viel ausprobiert. Was dabei aber bleibt: Die Betriebskosten sind hoch, und Gagen – gerade im elektronischen Bereich – sind deutlich gestiegen. Das beeinflusst natürlich das Booking. Man überlegt genau, ob man sich den Act vom letzten Jahr nochmal leisten kann oder doch eher unbekanntere Namen bucht. Was auch auffällt: Viele Betreiber:innen denken unternehmerisch um. Manche gehen stärker in die Eventvermietung oder bieten Räume zur Einmietung an. Das ist oft nicht das, wofür man mal angefangen hat, aber in der aktuellen Lage hilft es, den Betrieb über Wasser zu halten.
Beim Publikum sehen wir einen leichten Anstieg in den Zahlen. Es ist zwar keine große Veränderung, aber es geht in die richtige Richtung.
J: Was tut ihr konkret?
C: Wir machen uns natürlich viele Gedanken. Gerade, weil auf politischer Ebene viel gespart wird – und wir wissen alle: Bei der Kultur wird zuerst gekürzt. Deshalb fragen wir uns: Können wir innerhalb der Branche solidarische Modelle aufbauen?Wir schauen da nach Großbritannien, wo es ähnliche Ansätze gibt. Wir haben mit unserer Stiftung den Live Music Fund ins Leben gerufen. Die Idee ist, dass die Branche selbst Verantwortung übernimmt – auch große Player wie Ticketing-Unternehmen sich beteiligen. Ziel ist es, den Nachwuchs zu stärken und Bühnen für junge Acts langfristig zu sichern. Denn wenn die fehlen, verliert die ganze Szene. Man kann schließlich nicht zehn Jahre lang dieselben Headliner buchen. Natürlich ist das ein langfristiges Projekt, aber wir sind im Gespräch – mit der Politik, mit anderen Verbänden.
J: Politik ist ein gutes Stichwort. Als wir das letzte Mal gesprochen haben, wurde gerade der Bundestag aufgelöst – das war ein Schock für die Szene. Gibt es inzwischen wieder Hoffnung?
C: Wie man so schön sagt: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und ehrlich – ohne Hoffnung könnten wir den Job nicht machen. Es war schon frustrierend, weil wir damals kurz davor standen, einige Dinge auf den Weg zu bringen. Jetzt gibt es erste Leaks zum neuen Koalitionsvertrag, und der macht zumindest vorsichtig optimistisch. Themen wie die Anerkennung von Clubkultur oder der Umgang mit Schallschutzkonflikten werden angesprochen, auch die Finanzierung von Popkultur über die Initiative Musik ist drin. Klar, manches könnte konkreter sein – aber es zeigt, dass wir gehört werden. Jetzt bleibt es wichtig, dran zu bleiben und Gespräche zu suchen
J: Was bedeuten Entscheidungen wie die Schutzzone in Köln-Ehrenfeld für euch?
C: Sehr viel. Köln ist ein gutes Beispiel dafür, dass Kulturraumschutz funktionieren kann. Solche Fälle helfen uns in Gesprächen mit anderen Kommunen: Wir können sagen, „schaut, es geht“. Das macht die Argumentation greifbarer.
Die Szene lebt von Menschen mit unfassbar viel Herzblut. [...] Wir sind hartnäckig und lassen uns nicht unterkriegen.
J: Wir hören: Die Krise ist noch nicht vorbei. Was braucht es jetzt ganz konkret?
C: Ganz klar: Staatliche Unterstützung. Es stehen wichtige Investitionen an, gerade für den sogenannten „Grassroots“-Bereich. Das kann die Szene allein nicht stemmen. Aber es braucht auch bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen – und einen massiven Bürokratieabbau. Dazu kommen bekannte Themen wie Stadtentwicklung, Schallschutz oder Verdrängung. Alles Dinge, die unsere Arbeit massiv beeinflussen. Und genau da wünschen wir uns mehr Rückhalt.
J: Was sind für dich persönliche Lichtblicke?
C: Was mich immer wieder beeindruckt: Die Szene lebt von Menschen mit unfassbar viel Herzblut. Da sind so viele Kämpferinnen und Kämper die sich für die Kultur einstehen – im Club oder auf Festivals. Wir sind hartnäckig und lassen uns nicht unterkriegen. Das macht Hoffnung. Und am Ende gilt: Kopf hoch und gemeinsam kämpfen.
J: Danke dir für das Gespräch!
C: Danke auch, ciao!
Die LiveMusikKommission, kurz LiveKomm, ist der Dachverband der Musikclubs und Festivals in Deutschland. Sie vertritt die Interessen von mehr als 750 Spielstätten – von kleinen Clubs bis zu größeren Festivals – gegenüber Politik und Öffentlichkeit. Dabei geht es auch um Austausch, Vernetzung und den Erhalt einer vielfältigen Livemusikszene im ganzen Land.
Von Johannah Hainke